Die Gruppe der Acht und das Gipfeltreffen der Präsidenten Ende November
letzten Jahres fand in dem mexikanischen Badeort Acapulco das Gipfeltreffen
der sogenannten Gruppe der Acht statt. Es war der erste lateinamerikanische
Gipfel, der die wichtigsten Länder der Region zusammenführte
und über die Grenzen einer Subregion hinausging (denn es gab früher
schon Gipfeltreffen auf subregionaler Ebene mit der Anden-Gruppe, der
Karibischen Gemeinschaft [CARICOM] und in Mittelamerika) und der ohne
die Teilnahme der Vereinigten Staaten stattfand (vor Jahren gab es interamerikanische
Gipfeltreffen in Panama und in Punta del Este in Uruguay).
Die Konstituierung der Gruppe der Acht (die Argentinien, Brasilien, Kolumbien,
Mexiko, Panama, Peru, Uruguay und Venezuela umfaßt) ist die jüngste
institutionelle Entwicklung in den internationalen Beziehungen zwischen
den lateinamerikanischen Staaten. Dieser "Mechanismus der ständigen
Konsultation und politischen Abstimmung", so der offizielle Name,
wurde bei einem Treffen der Außenminister in Rio de Janeiro im Dezember
1986 ins Leben gerufen. Es ist ein Mechanismus zur Kommunikation und Zusammenarbeit
einer wichtigen Gruppe von Ländern der Region, die alle über
demokratische Regierungsformen verfügen. Ziel ist es, so wie es die
Präsidenten in ihrer Verpflichtung von Acapulco zu Frieden, Entwicklung
und Demokratie", dem Dokument des dreitägigen Gipfels, darlegen,
die politische Abstimmung auf der Basis der grundlegenden Gemeinsamkeiten,
die sie verbinden, zu vertiefen und sich zu Wort zu melden in einer Gemeinschaft
der Interessen, der Herausforderungen und Probleme, der Werte ("eine
gleiche Einstellung zu Demokratie mit Entwicklung, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit")
und in einem Gefühl der Solidarität mit allen lateinamerikanischen
Staaten.
Die Idee hierzu entstand durch die Erfahrungen und die gemeinsame Arbeit,
die die Außenminister im Rahmen der Contadora-Gruppe (Kolumbien,
Mexiko, Panama und Venezuela) und der Unterstützungsgruppe (Argentinien,
Brasilien, Peru und Uruguay) leisteten. Sie führte zunächst
zu dem Treffen in Rio und dann zum Gipfel der Präsidenten in Acapulco.
Die der Gruppe innewohnende Kraft kann darin begründet liegen, daß
die meisten der dazugehörigen Länder über die notwendigen
Voraussetzungen verfügen, um in den Verlauf der die Region interessierenden
wirtschaftlichen und politischen Ereignisse einzugreifen. Sie sind die
"wichtigsten Nationen", und sie können die Entscheidungen
beeinflussen, die mit den Hauptfragen der Tagesordnung der internationalen
Beziehungen dieser Region verbunden sind. Die Gruppe repräsentiert
mehr als 80 Prozent der Bevölkerung der Region und den überwiegenden
Teil des Bruttosozialprodukts, des inner- und außerregionalen Handels
sowie der lateinamerikanischen Außenverschuldung von mehr als 400
Milliarden Dollar.
Es wäre sehr schwer, sich vorzustellen, daß die wichtigsten
Fragen oder Herausforderungen, die in der Akte von Acapulco zusammengefaßt
sind, von den Lateinamerikanern gemeistert werden könnten ohne die
Beteiligung der Staaten der Achter-Gruppe. Von daher ihre praktische Relevanz.
Zu diesen Fragen der aktuellen latein-amerikanischenTagesordnunggehörerrlaut
den Erklärungen des Präsidentengipfels: die Wahrung von Frieden
und Sicherheit in der Region (vor allem die Konflikte in Mittelamerika);
die Konsolidierung der Demokratie und die Respektierung derMen-schenrechte;
die Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit, um eine grundlegende
und autonome Entwicklung in Gang zu setzen; die Lösung des Problems
der Außenverschuldung; die Schaffung eines gerechten und offenen
internationalen Handelssystems frei von Protektionismus; die Verstärkung
des lateinamerikanischen Integrationsprozesses; eine größere
Teilnahme am internationalen Wirtschaftsprozeß; die eigenständige
und beschleunigte Entwicklung in den Bereichen Wissenschaft und Technologie;
die Stärkung der Verhandlungsposition nach außen und schließlich
die Bestätigung der kulturellen Identität der Region und der
Austausch von Erfahrungen im Bildungswesen.
Die Gruppe will nach der Auffassung ihrer Mitglieder nicht die Gesamtheit
der regionalen und subregionalen Institutionen ersetzen, die es in Lateinamerika
gibt. Aber sie will deren relative Ineffizienz überwinden, die in
den meisten Fällen aus der Tatsache resultiert, daß sie eine
zu große Zahl und zu heterogene Länder umfassen. In diesem
Fall ist die Anzahl der Mitgliedstaaten geringer; daher ist es eher möglich,
zu einem durchsetzbaren Konsens zu gelangen. Außerdem ist die gegenwärtige
Homogenität der Staaten größer, vor allem im Hinblick
auf grundlegende politische und kulturelle Werte, unter anderem die der
demokratischen Regierungsformen.
Seit ihren Anfangen war die Idee der Gruppe mit der Realisierung des
Gipfeltreffens der Präsidenten und der Schaffung einer Lateinamerikanischen
Staatengemeinschaft verknüpft. Letztere Idee wurde vor allem vom
mexikanischen Präsidenten vorangetrieben, der sie zu verschiedenen
Gelegenheiten auf den Tisch brachte, insbesondere beim außerordentlichen
Treffen der CEPAL (UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika) in
Mexiko (im Januar 1987), bei dem die Probleme der Entwicklungskrise und
der Außenverschuldung Lateinamerikas behandelt wurden. In Acapulco
erschienen die Idee der Lateinamerikanischen Staatengemeinschaft sowie
die des Gemeinsamen Lateinamerikanischen Marktes als Ziele, die aus der
politischen Abstimmung, aus praktischen Maßnahmen zur Integration
und zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie aus der Ausarbeitung eines
gemeinsamen Entwicklungsplans resultieren werden.
Dem Gipfel von Acapulco gingen regelmäßige Treffen der Außenminister
und von Expertengruppen voraus. Die Präsidenten vereinbarten, ähnliche
Gipfeltreffen einmaljährlich abzuhalten, das nächste soll in
der zweiten Hälfte des Jahres 1988 in Uruguay stattfinden. Zusätzlich
werden sich die Außenminister weiterhin regelmäßig treffen,
um die Grundzüge zur Zusammenarbeit, wie sie in der Verpflichtung
von Acapulco dargelegt sind, auszuarbeiten und umzusetzen. Die nächste
geplante Konferenz wird in Cartagena de Indias in Kolumbien stattfinden.
Der Zeitpunkt, zu dem der Gipfel abgehalten wurde, war günstig.
Nicht nur aufgrund der Häufung von wichtigen Fragen, die die Außenbeziehungen
der lateinamerikanischen Staaten betreffen, sondern auch im Hinblick darauf,
daß einige Mitgliedstaaten zum Jahresbeginn 1988 schon in ihre Wahlkämpfe
zu anstehenden Präsidentschaftswahlen eingetreten sind. Ende 1987
warvielleicht der letzte geeignete Äugenblick für das Ingangsetzen
eines Prozesses der politischen Abstimmung auf höchster Ebene, der
heute danach trachtet, in die regulären Regierungsgeschäfte
aufgenommen zu werden.
Die großen Themen von Acapulco
Es wird nicht notwendig sein, an dieser Stelle alle Herausforderungen
anzuführen, denen die Staaten der Region heute gegenüberstehen.
Es genügt allein zu erwähnen, daß die Aufgabe, nationale
Wirtschaftssysteme, die nicht zufriedenstellend den Erfordernissen der
Effizienz, der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Gerechtigkeit
nachkommen, grundlegend umzuwandeln, und das inmitten der zugespitzten
Schuldenkrise, die das Wirtschaftswachstum grundlegend behindert, die
unglaubliche Toleranz übersteigen kann, die die betreffenden Bevölkerungen
bis heute gezeigt haben. Wenn hierzu die Tatsache kommt, daß diese
Aufgabe in den meisten Ländern gleichzeitig mit der der Umwandlung
von autoritären politischen Systemen in demokratische oder mit der
der Vervollkommnung oder Ausweitung von instabilen demokratischen Systemen
oder von eingeschränkter Beteiligung der breiten Massen in Angriff
genommen wurde, dann kann man leicht verstehen, daß in der Region
zur Zeit ein Klima herrscht, in dem es schwierig sein kann, der rationellen
und moderaten Entwicklung des politischen und wirtschaftlichen Lebens
genügend Spielraum zuzusichern.
Aus dieser Perspektive ist es verständlich, daß vier große
Themen beim Gipfel von Acapulco vorherrschten, die auf die eine oder andere
Weise implizit oder explizit in den Text der von denPräsidenten unterzeichneten
Verpflichtung aufgenommen wurden. Diese Themen sind:
- der wirtschaftliche Wandel und die industrielle und technologische
Modernisierung als unumgängliche Aufgabe für jene Nationen,
die für den Wettbewerb in der Weltwirtschaft der kommenden Jahrzehnte
gerüstet sein wollen;
- die Demokratie als geeignetes internes politisches und soziales Umfeld
für die immense Anstrengung des notwendigen strukturellen Wandels,
verbunden mit dem Thema der Gerechtigkeit bei Entwicklung und interner
Kostenverteilung der nötigen Anpassungen;
- Lateinamerika, als politischer und wirtschaftlicher regionaler Rahmen
für die einzelnen nationalen Anstrengungen zu Wandel und Demokratisierung,
als kultureller und historischer Unterbau, der solche Bemühungen
von jenen, die von außen gesteuert werden, unterscheiden kann,
und als differenzierte internationale Realität mit spezifischen
Charakteristika innerhalb eines Weltgeschehens, das von der Logik der
Machtausweitung stark beherrscht ist; sowie
- die internationale Zusammenarbeit, bei der die industrialisierten
Länder wirtschaftliche Bedingungen schaffen, die die lateinamerikanischen
Anstrengungen zu Wandel und Demokratisierung der einzelnen Gesellschaften
begünstigen. Die internationale Kooperation soll weiterhin der
Demokratisierung des internationalen Systems einen wachsenden Raum zugestehen,
insbesondere was die multilaterale Definition von institutionellen Rahmenbedingungen,
Grundlagen und Spielregeln betrifft, die es erlauben, unter Berücksichtigung
der Interessen aller Seiten, zwei große Fragen zu lösen,
die die aktuellen internationalen Wirtschaftsbeziehungen belasten. Diese
sind erstens die internationale Verteilung der Anpassungskosten (das
Problem der Außenverschuldung der Entwicklungsländer) und
zweitens die der internationalen Verteilung der Handels- und Produktionsmöglichkeiten
(das Problem des Protektionismus und der multilateralen Handelsverhandlungen
im Rahmen der Uruguay-Runde).
Internationale Zusammenarbeit und Konsolidierung der Demokratie: die
Lehren aus der europäischen Erfahrung
Diese vier großen Themen des Gipfels von Acapulco und der gegenwärtigen
lateinamerikanischen Realität scheinen ersraunlicherweise auch mit
zwei Beispielen des wirtschaftlichen Wandels und der Demokratisierung
in der westlichen Welt der Nachkriegszeit verbunden zu sein. Das erste
ist die Erfahrung des westlichen Europas in den ersten Jahren nach dem
Zweiten Weltkrieg. Das zweite Beispiel ist das Europa des Mittelmeerraums
in den siebziger Jahren.
In beiden Fällen beobachtet man den Einfluß eines günstigen
internationalen wirtschaftlichen Klimas (Marshall-Plan im ersten Fall,
die Europäische Gemeinschaft im zweiten), verbunden mit einer ausgeprägten
regionalen Vorstellung (die Idee von Europa) auf die Erleichterung der
Umwandlung von zerstörten oder veralteten wirtschaftlichen Systemen
in effiziente, wettbewerbsfähige, gerechte und offene Systeme, und
auf den Übergang von autoritären politischen Systemen in solche
mit demokratischem Charakter.
Der Schlüssel des Erfolgs scheint in beiden Fällen in der Tatsache
zu finden zu sein, daß Wandel und Anpassung aus einer intern befürwortetensozialen
und wirtschaftlichen Disziplin resultierten, der die großenMehrheiten
der einzelnen Bevölkerungen zustimmten, da sie mit starken, populären
und innerlich miteinander verknüpften Ideen verbunden waren (Demokratie
und Europa). Diese Disziplin fand ihre Basis in der letzten Instanz, in
der demokratischen Legitimierung und in der Gesamtheit der Europa-Archiv,
Folge 5 / 1988 Anstrengungen, ein wertvolles Gut für ihre historische
und kulturelle Bestimmung zu erhalten, die in der Idee von Europa zum
Ausdruck kommt, das seinerseits Wohlstand und Frieden als Ziele anstrebte.
In dieser Perspektive erscheint die internationale Zusammenarbeit nicht
als eine von außen durch ihre Bedingungen eine interne wirtschaftliche
und soziale Disziplin auferlegende Macht, sondern sie bietet im Gegenteil
das positive Bild eines unterstützenden Faktors für die Durchsetzung
dessen, was die öffentlichen Meinungen wertschätzen. Die interne
Anstrengung ist somit Ergebnis des eigenen gesellschaftlichen Willens,
das internationale Umfeld wird als unterstützend und nicht als auferlegend
wahrgenommen. Im Fall der entstehenden europäischen Demokratien zum
Ende der vierziger Jahre erinnern wir uns daran, daß die Idee der
europäischen Integration eng verbunden blieb mit der des Marshall-Plans,
und daß dieser von Anfang an als gemeinsame europäische Anstrengung,
die auch von den Europäern selbst verwaltet wurde, geplant und aufgenommen
wurde. Westeuropa akzeptierte den Marshall-Plan, eben weil er den Ideen
von Modernisierung, Demokratisierung und Integration nachkam, und weil
nicht das Gegenteil der Fall war. Die Tatsache, daß das östliche
Europa ihn nicht akzeptierte, beweist diesen Umstand. Das gleiche kann
man in jüngerer Zeit am Beispiel Spaniens und in gewisser Hinsicht
auch für Griechenland und Portugal beobachten, bei denen der Beitritt
zur EG Ergebnis der Wertschätzung der betreffenden öffentlichen
Meinungen für die Ideen vonDemokratie, wirtschaftlichem Wandel und
Integration ist, und nicht Ergebnis einer externen Auflage.
In den beiden hier angeführten historischen Beispielen ist klar,
daß die internationale Zusammenarbeit nicht als Instrument für
die externe Auflage einer notwendigen internen sozialen und wirtschaftlichen
Disziplin aufgefaßt wurde. Aber es wird auch deutlich, daß
sie in beiden Fällen durch den Transfer von Ressourcen (Marshall-Plan)
und durch den Zugang zu entwickelten Märkten (EG) das günstige
internationale wirtschaftliche Umfeld schaffen konnte, damit die nationalen
Anstrengungen zu Wandel und Demokratisierung Erfolg haben konnten.
Man wird in der aktuellen lateinamerikanischen Realität kein funktionelles
Equi-valent zu dem Finden, was der Marshall-Plan und die EG in den hier
angeführten Beispielen für den demokratischen Übergang
und den wirtschaftlichen Wandel der europäischen Staaten bedeuteten.
Im Gegenteil, die Daten über den Nettotransfer von Ressourcen von
Lateinamerika zur industrialisierten Welt, über den Verfall der Roh-stoffpreise
zu Beginn der achtziger Jahre und über die drastische Reduzierung
derlm-porte aus dieser Region zeigen unter anderem den Fortbestand eines
internationalen wirtschaftlichen Klimas, das für den Erfolg der Bemühungen
um wirtschaftlichen Wandel und Demokratisierung wenig förderlich
ist. Der Verlust von zukünftigen Arbeitsplätzen, Ergebnis der
ausgebliebenen Investitionen in den vergangenen Jahren, wirft weiterhin
alarmierende Fragezeichen für die regionale politische und wirtschaftliche
Entwicklung in den kommenden Jahren auf.
Wenn sich die Bedingungen der Weltwirtschaft (Wachstum der industrialisierten
Wirtschaften, Zugang zu den Märkten, Preise der Rohstoffprodukte
und die realen Zinssätze) nicht ändern, und wenn der Transfer
von externen Ersparnissen in die Region nicht wiederhergestellt wird,
dann wird allein der Verfall der internen Investitionen die Fortdauer
der Bemühungen zur Eindämmung der Inflation und zur Durchsetzung
einer vernünftigen geld- und finanzpolitischen Stabilität angreifen.
Die Lösung des Problems der Außenverschuldung (ein bedeutender,
jedoch nicht der einzige Faktor der aktuellen Wirtschaftskrise Lateinamerikas)
scheint sich fortlaufend in einem von Mahnungen nach den, Kapitalflüssen"
und von äußerer Strenge beherrschten Panorama zu verflüchtigen,
anstatt durch Forderungen nach wirtschaftlichem Wachstum und grundlegenden
Veränderungen vorangebracht zu werden. Die Alternative von zahlen
und wachsen" oder wachsen und zahlen" endet nicht mit der Hinwendung
zur letzteren Definition. Zum Jahresbeginn 1988 gibt es viele Anzeichen
dafür, daß der Lateinamerikaner immer mehr zum Slogan nicht
zahlen, um zu wachsen" geneigt sein könnte. Dieses wäre
vielleicht die dramatischste Konsequenz der "Anpassungsmüdigkeit",
die Politiker und Analytiker in der aktuellen lateinamerikanischen Realität
empfinden.
Was kommt nach Acapulco?
In Acapulco haben die Mitgliedstaaten der Gruppe der Acht einen Prozeß
in Gang gesetzt und einen Appell lanciert. Der dort begonnene Prozeß
ist der der regionalen politischen Abstimmung durch einen sehr informellen
Mechanismus von regelmäßigen Treffen auf höchster sowie
auf ministerieller Ebene. Es wurde schon gesagt, daß die Gruppe
nicht die institutionellen Mechanismen der Kooperation und Integration,
zu denen unter anderem das lateinamerikanische Wirtschaftssystem (SELA),
die Lateinamerikanische Integrationsvereinigung (ALADI), die Anden-Gruppe,
CARICOM und die Organismen der mittelamerikanischen wirtschaftlichen Integration
gehören, ersetzen will. Sie will sie im Gegenteil dynamisieren, indem
sie ihnen die notwendige Unterstützung und den politischen Rahmen
gewährt. Genausowenig will die Gruppe die vielfaltigen anderen Wege
verbauen, die die Lateinamerikaner benutzen, um ihre Wirtschaften zu verbinden
und in spezifischen Fragen zusammenzuarbeiten. Die jüngsten Vereinbarungen
zur wirtschaftlichen Integration zwischen den südlichen Staaten Südamerikas
sind da ein Beispiel.
Es handelt sich in dem Sinne um einen Prozeß, bei dem man zu der
Erkenntnis gelangt, daß sich nur durch konkrete Schritte allmählich
und sehr pragmatisch über die Zeit hinweg ein System der wirtschaftlichen
Interdependenz bilden kann, bei dem die Kooperation zwischen den lateinamerikanischen
Staaten dominiert. Das wäre der Gegensatz zu einer Interdependenz,
die durch Konflikte bestimmt wird. Dieses Mal scheinen sich die Lateinamerikaner,
im Gegensatz zu früheren Fällen, nicht unrealisierbare Ergebnisse
und Ziele in illusorischen Zeiträumen gesetzt zu haben. Man ist sich
bewußt, daß der Prozeß langwierig und mühsam sein
wird. In Acapulco haben die Präsidenten unausgesprochen anerkannt,
daß sie keine vernünftigen Alternativen zu diesem Prozeß
sehen. Darin liegt, wenn man will, die tiefgreifende historische Bedeutung
ihrer Botschaft.
Auf der einen Seite richtet sich der hier lancierte Appell an die anderen
lateinamerikanischen Staaten, damit sie an dem in Acapulco in Gang gesetzten
Prozeß teilnehmen. Die Tatsache, daß dieser Prozeß keine
eigene institutionelle Ausprägung hat, vereinfacht diese Teilnahme
durch die schon bestehenden Mechanismen, von denen der der SELA über
die größte regionale Ausdehnung verfügt. Aber es ist auf
der anderen Seite auch ein Aufruf zur Zusammenarbeit an die industrialisierte
Welt, mit der Schaffung von günstigen externen Wirtschaftsbedingungen
die lateinamerikanischen Anstrengungen zu Wandel und Demokratisierung,
insbesondere in den Bereichen Finanzierung und internationaler Handel,
zu erleichtern.
In den kommenden Monaten wird man beobachten können, wie sich der
in Acapulco begonnene Prozeß in der Praxis entwickelt. Seine Glaubwürdigkeit
nach außen hin wird von den konkreten Maßnahmen abhängen,
die getroffen werden. Und man wird auch sehen können, wie die industrialisierten
Länder auf diese lateinamerikanische Initiative reagieren. In diesem
Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, daß fast gleichzeitig
mit dem Gipfel in Acapulco am 14. und 15. Dezember 1987 das dritte Gipfeltreffen
des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) in Manila stattfand.
Dabei übernahmen die Mitgliedstaaten der ASEAN Verpflichtungen, um
ihr Schema des Vorzugshandels (Preferential Trading Arrangement) zu intensivieren,
indem sie sich ehrgeizige Ziele für die Ausweitung des intraregionalen
Handels setzten, der bis zum Ende des Jahrhunderts 50 Prozent ihres globalen
Außenhandels darstellen soll. Japan kündigte seinerseits ein
finanzielles Hilfspaket von zwei Milliarden Dollar für drei Jahre
mit der Einsetzung eines Fonds (ASEAN - Japan Development Fund) zur Förderung
von,Joint ventures" zwischen japanischen Unternehmen und Unternehmen
der ASEAN-Mitgliedstaaten an. Diese Finanzierung mit regionaler Ausrichtung
wird zusätzlich zur bestehenden bilateralen Finanzierung gewährt.
Der größte Teil des Fonds ist für kleine und mittlere
Unternehmen bestimmt, ohne daß dadurch jedoch die Finanzierung von
großen Industrieprojekten ausgeschlossen wird. Vielleicht zeigt
diese Maßnahme einen Weg für die Art der Hilfe auf, die die
lateinamerikanischen Länder hoffen, bei ihren regionalen Anstrengungen
zur wirtschaftlichen Integration im Rahmen der Verpflichtung von Acapulco
erhalten zu können.
Letzten Endes wird die positive oder negative Entwicklung dieser lateinamerikanischen
Initiative auch mitbestimmt von der äußeren Glaubwürdigkeit
durch Taten und durch die internationale Reaktion.
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